Unser Gesundheits-System ist krank
Auf der Videokonferenz am 13.07.2021 berichteten Britta Pietsch, Fachfrau im Landesvorstand DIE LINKE.NRW, und Guido Böhmer von der "Volksinitiative gesunde Krankenhäuser" über die alarmierenden Schwächen des jetzigen Gesundheitssystems. (*)
Privatisierte Krankenhäuser erhalten von den Kassen ihr Geld nach Fallpauschalen. Es geht darum möglichst viele Patienten in möglichst kurzer Zeit durch die Einrichtungen zu schleusen, mit möglichst wenig Personal, der teuerste Faktor in Krankenhäusern.
Britta Pietsch50.000 Stellen wurden im Pflegebereich in den letzten Jahren abgebaut. Die bleibenden erhalten immer mehr Aufgaben, die in kürzerer Zeit zu schaffen sind, was letztendlich zu Mangelversorgung führt. Kranke und pflegebedürftige Menschen sind dem schutzlos ausgeliefert und fühlen sich auch so. Oft werden sie zu früh entlassen – die Verweildauer der Patienten in Krankenhäusern hat sich halbiert. Böse Folge: Zu früh Entlassene kommen z. T. kurze Zeit später mit schwereren Erkrankungen zurück in die Klinik und werden so als dauerhaft zahlende Patienten gehalten mit immer schwereren Verläufen.
Hinzu kommt die Zwei-Klassenmedizin: Die großen Krankenhausketten gehören Konzernen, die am Aktienmarkt agieren. Sie sind auf Gewinnmaximierung ausgerichtet und machen alles was den Umsatz steigert, aber wenig kostet. Geld bringen dabei vor allem Privatpatienten, denen man gern (zu schnell?) zu Hüft-, Knie- oder Herzoperationen rät. Es wird in diesen Bereichen in Deutschland, Statistiken zu Folge, deutlich häufiger operiert als in den meisten anderen Ländern, in denen man mehr auf die Erhaltung der Gesundheit, sprich Vorsorge, setzt.
Für die kleineren Krankenhäuser bleiben die Kassenpatienten. Mit der Effizienz der großen können sie damit wirtschaftlich nicht konkurrieren. Immer mehr werden entweder aus Kostengründen ganz geschlossen oder von den Großen geschluckt. Geburten bringen auch nicht viel Geld. Kein Wunder, dass immer mehr Geburtskliniken geschlossen werden. Übrig bleibt eine Unterversorgung von Krankenhäusern in ärmeren Bezirken und in ländlichen Regionen, während es in den städtischen Bereichen zu einer Überversorgung in bestimmten Stadtteilen kommt.
Wie weit die Kommerzialisierung und Monopolisierung inzwischen gehen kann und wie sie sich weiterentwickelt, schilderte eindrucksvoll Silke Schmidt, aus der Linksfraktion Solingen zu Besuch. Sie berichtete von einem „Gesundheitshai“, dessen Geschäftsidee es ist, Ärzte besonders gut zu entlohnen, sonstiges Personal jedoch untertariflich zu bezahlen. Das rechne sich inzwischen so gut, dass er immer weiter expandieren könne. Er habe inzwischen Krankenhäuser und Arztpraxen im großen Stil aufgekauft, ebenso wie niedergelassene Physiotherapiepraxen. Durch up- und cross-selling seiner Gesundheitsprodukte aus verschiedenen Gesundheitszweigen wird der Umsatz noch weiter angekurbelt. Anstatt diese Entwicklung mit Sorge zu betrachten, hätten Krankenversicherungen ihn aufgrund seines Erfolgs obendrein noch zum Unternehmer des Jahres gekürt, so Silke. Das sei insofern allerdings nicht verwunderlich, als diese selbst im Verdacht stehen, das Geld der Beitragszahler zu verschwenden.
Wer nun meint, die Privatpatienten seien in allem besser versorgt, der täuscht sich. Schönere Zimmer, schnellere Termine usw., ja. Aber haben Privatpatienten Erkrankungen abseits von Geld bringenden ärztlichen Maßnahmen, ist auch ihre Versorgung, eben zum Beispiel in den Bereichen der Gesundheitsvorsorge, stiefmütterlich. Es spricht also alles dafür, dass wir wieder zurückkommen sollten zu einem humanen Gesundheitssystem, was den Anforderungen einer modernen Medizin für alle entspricht.
Gefragt ist, so Britta und Guido, eine Barriere freie, bedarfsorientierte am Gemeinwohl orientierte Gesundheitsversorgung. Sie muss vollfinanziert sein. Sie muss wohnortnah sein. Das ist die eigentliche Aufgabe öffentlicher Daseinsfürsorge. Dies kann nur geschehen, wenn Krankenhäuser rekommunalisiert werden, d. h. wieder in öffentliche Hände zurückgeführt werden. Im Gesundheitssystem Arbeitende müssen zuallererst humane Arbeitsbedingungen zurückerhalten und dann natürlich auch leistungsgerecht entlohnt werden. Das Sterben von Menschen, die nicht die ihnen zustehende Hilfe in Krankenhäusern erhalten, muss ein Ende haben.
So ein Gesundheitssystem ist dann auch bezahlbar, wenn alle Bürger, auch Selbstständige, Unternehmer usw. in gesetzliche Kassen einzahlen müssen, wenn auf unnötige teure Operationen verzichtet wird. Wenn Pflegekräfte menschliche Arbeitsbedingungen haben, dann können sie ihren Job auch länger als durchschnittlich sieben Jahre machen, ohne selbst zu erkranken. Pflegekräfte müssen angemessen bezahlt werden, dass sie von diesem Geld gut leben und ihre eigene Familie versorgen können, idealerweise mit der von der LINKEN propagierten 4-Tage-Woche.
Um den Pflegenotstand im Bereich häuslicher Pflege zu überwinden, so ergänzte Kirsten, DIE LINKE. Wuppertal, in Übereinstimmung mit Britta, ist es auch dringend erforderlich die Arbeitsbedingungen für pflegende Angehörige zu verbessern bei gerechter Entlohnung und Altersabsicherung. Pflegebedürftige sollten frei entscheiden können, ob sie von fremden Personen oder nahen Angehörigen gepflegt werden. Das geht jedoch nur, wenn beide, auch die privaten Angehörigen, einen angemessenen Lohn und gute Arbeitsbedingungen erhalten.
In der abschließenden Diskussion kam natürlich die Frage auf, was konkret getan werden kann, um das Gesundheitssystem wieder auf gesunde Füße zu stellen. Eine öffentliche Diskussion im Parlament, so Guido und Britta, könnte ein Umdenken einleiten, was zurzeit von den sich an der Macht befindenden neoliberal ausgerichteten Parteien verhindert wird. Hierzu wurde bereits eine Volksinitiative gesunde Krankenhäuser" ins Leben gerufen, die mit einer Unterschriftensammlung eine öffentliche Diskussion im Düsseldorfer Landtag demokratisch durchsetzen will. Alle Anwesenden waren sich darüber einig, dass wir uns dringend in unserem ureigenen Interesse für ein besseres Gesundheitssystem einsetzen müssen. Letztendlich haben wir alle entweder schon schlechte Erfahrungen mit dem gegenwärtigen Gesundheitssystem gemacht, oder werden sie machen, spätestens in höherem Alter und haben daher ein großes Interesse daran, dass sich im Gesundheitswesen was tut.
(*) Bericht von der Mitglieder-Versammlung vom 13.07.2021 von Gudrun Küppershaus